Biographie:

Kindheitserinnerungen

Heiterkeit und Freude fehlten dem Anbeginn, denn eine viel zu rühe Geburt mitten im
mörderischen Krieg bringt viele Konflikte und sogar im späten Alter noch Albträume.
Bilder, die das Leben begleiten: Erinnerung setzt ein mit brennenden Landschaften,
Gerüchen von verbranntem Fleisch und Flucht. Die Flüchtigkeit des Seins spürt auch

das kleine Kind und möchte doch mit vollen Fäustchen das pralle Leben halten.

Potsdam war eigentlich nur ein Balkon zum Garten, dahinter reies Land. Eine Machorka
rauchende, russisch sprechende, vor Vitalität übersprudelnde Mutter, ein Vater als stiller
Schatten, als disziplinierter Schatten seiner selbst. Viel russisch und polnisch
sprechendes Volk zu Gast, das Kind radebrecht sich zurecht und sieht überall nur Chiffren.

Berlin, danach, war ausgebombt, ruinöse, verkohlte, beängstigen- de Hausfassaden, Schutt und Asche. Das Kind schmeckt Ananas und verkauft Seife am Kudamm. Auf der Netzhaut erste bewegliche Lichter, Autoscheinwerfer, Hektik und Panik vor dem Akronym NKWD.

Und im Anschluss: Das Eldorado Mannheim, der Inbegriff westlicher Freiheit, Wirtschaft, Wunder, Wachstum, Wohlstand. Es gibt Papier und Malstifte und das Kind tobt sich in Krakel- und Schraffurbildern aus, malt Bäume ohne Wurzeln und Häuser ohne Dächer und Menschen mit herabhängenden Mundwinkeln, sammelt Pflanzen und Getier, presst es in ungelesene Folianten und freut sich über abgedrückte Spuren. Das Kind hinterlässt seine Spuren.
Dadurch wird das Es zum Ich. Ich.

Berührungen mit verschiedenen Kunstformen

In einem gastfreundlichen, für Künstler offenen Haus bekomme ich Musik- und Malunterricht und entdecke meine Synästhesiefähigkeit, Fluch und Segen der Frühgeburt zugleich. Ich sehe
Farben und höre dabei Klänge, ich höre Musik und sehe Farben und empfinde Bewegungen. Ratlos die Eltern mit dem begabten Kind, das rastlos gestaltet, arrangiert, alles bekritzelt, bemalt, verschmiert, die Möbel umstellt und den Plattenspieler nicht ausstellt: Synagogale Klänge, schwarz-schwermütige, russisch orthodoxe Kirchengesänge.

Sogar die Schulhefte werden übermalt, das bringt Komplikationen.Der elterliche Edukations- konflikt eskaliert in meiner Pubertät.Paternalistisch werde ich aufgefordert, am Mittagstisch die Aktienbörse aus dem Aushangkasten der Bank zu rapportieren, mütterlicherseits werde ich in Konzerte, Theater und Ausstellungen mitgeschleift, begeistert für den freidenkerischen Schiller und den mystischen Dostojewski, und ich sehe sie, die fliegenden blauen Menschen von
Marc Chagall, voller Staunen. Fliegende Menschen, liebevoll, verliebt, blumig. Ich bekomme eine Ahnung vom Mysterium der Liebe durch die pastöse Farbe Blau, mit schwebenden Figuren. Aber der Schulweg am Aushangkasten der Bank trägt auch Früchte.

Kunst und Wirtschaft

Auf der einen Seite begreife ich durch die Zahlen die Zusammenhänge der Deutschland AG, entwickle ein Gespür für Trends, wirtschaftliche Prozesse, auf der anderen Seite entdecke ich die Gestaltungsmöglichkeiten des Lebens durch Kunst. Die Welt wird bipolar … und diese Prägung hat sich erhalten.

Kunst und Kommerz, nicht kontradiktorisch, am besten in einer Symbiose. Ich begreife schon damals den Sinn, Kommerz, mit der Betonung der humanen Komponente, mit Kunst für meine
eigene Lebensgestaltung zu verbinden.

Die 68er werfen ihre Schatten voraus. Ich lerne das Wort als Waffe kennen. Für das Schüler- kabarett verfasse ich schulrelegationsdrohende Texte, verfasse bösartige, immer fragende,
suchende Satiren, schneide und drucke Linolplakate und erhalte erste Aufträge.

In Gelsenkirchen begeistern mich im Theater die blauen Monochromien von Yves Klein ebenso wie Max Frischs „Andorra“ und ähnliche Dramen.

Durch einen vorübergehenden Polioanfall entdecke ich aus Rehabilitations Gründen die Wirksamkeit von Ausdruckstanz und Ballett, spüre wie Kunst zur Gesundung beiträgt an eigenen Gelenken, komme wieder ins Gleichgewicht und fokussiere meine Sichtweise auf
meine preisgekrönte Fotografie von Strukturen, Mustern, und wieder die Chiffren, die sorgsam Verborgenes preisgeben.

Studienjahre

Für das Studium gab es nur eine erste Wahl: Wenn, dann Wien. Wie Kunst und Kommerz, so dann königlich und kaiserliches Wien: K&K. Ich studiere klassische Theaterwissenschaft, um
mindestens (General-)Intendant zu werden, gründe ein eigenes Theater, kooperiere mit dem Livingtheatre aus N.Y., gerate in die Journalistenszene, mache Dokus fürs TV, bin begabt fürs
Bühnenbild und Figurinen, tauche im Gefolge von zeitgenössischen Komponisten bei Festivals auf, bin umtriebig bei Performances, verfasse choreographische Skizzen, versuche mich in
Minidramen, lerne das Hand- und Augenwerk der Kunstgeschichte und wetteifere beim Aktzeichnen in der „Akademie der bildenden Künste“.

Arrangements, Assemblagen, Collagen, Bilder, Malerei sind Zierrat meines studentischen Domizils, das zu einer Galerie mutiert. I

ch bin im Bann des phantastischen Realismus der Wiener Schule. Ich lerne bei Ernst Fuchs.
Und und und…Ich, der kleine Kunst Rastelli, werde sogar noch ohne Doktorat - was für eine Chance(!) - an eine deutsche Bühne verpflichtet, ins ehrwürdige Münster mit dem ersten deutschen Nachkriegstheaterbau, und bin Dramaturg.

Berufsjahre

Von morgens bis mitternachts, Regieassistent erst beim Sprechtheater und dann bei der Oper. Meine Kunst erschöpft sich in Programmheften, Plakaten und Texten. Tuschezeichnungen bleiben übrig. Und kaum Zeit für die frische Ehe und die kommende Familie.

Der Wechsel nach Hagen war angesagt, das Terrain in Münster ausgeschöpft. In einem Bandwurm von Verpflichtungen kam ich meinen Aufgaben nach: Dramaturgie, Regie, Abendspielleitung, Schauspiel, Werbeleitung und Öffentlichkeitsarbeit.

Ein ausfüllender Full-Time-Marketing-Job, denn nebenbei werden noch Galas, Shows, Bälle, Ausstellungen, Lesungen, Kinder- und Jugendtheater absolviert. Nur in den Theaterferien nehme ich Farben in die Hand, skizziere vorwiegend Landschaften.

Als Wunschkandidat werde ich für die Kultur- und Stadtwerbung für die Kommune abgeworben. Wieder K&K. Kommune und Kultur. Daran schließt sich Stadtmarketing an. Projektentwicklung
für Weiterbildung, Entertainment, öffentlicher Raum, Stadtillumination sind die letzten Aufgaben, die ein schwerer Unfall mit fast finalen aber fatalen Folgen beendet.

Inzwischen bin ich auch - fast Gründungsmitglied - Mitglied im Marketing-Club geworden, mit der alljährlichen individuellen Gestaltung des Marketing-Preises, bin im Bund Bildender Künstler mit Arbeiten vertreten, Arbeiten im öffentlichen Raum, und eitelkeitshalber: Ausstellungen im In- und Ausland, gründe meine eigene Agentur „Kunst und Konzepte” (K&K), arrangiere Kirchenkonzerte mit Musik, Texten und Bildern, schaffe Zyklen, versteife mich zeitweilig aufs Porträtieren,schöpfe meine Kraft aus den gestalteten Tagebüchern mit allen möglichen Materialien, Stoff, Glas, Acryl, Blech, Papier, Farbe, Lack.

Vielfalt und Ausgleich

Am Wochenende lebe ich mein Leben auf dem Land in einem uralten Haus mit einem in die Landschaft hineingebauten gläsernen Atelier... In voller Kraft und voller Montur. Mein hintersinnig
spitzer Stift und die Charakterisierung von Situationen der menschlichen Beziehungen sind

(nicht immer) gerne gesehene Arbeiten in meinem Freundeskreis. Die psychologische
Komponente gewinnt Überhand. Auftragsarbeiten aus Industrie und von privat sind die Bestätigung für mein Können.

Kunst als Therapie

Mitten im Leben: Die Zäsur ist mein Unfall mit Schlaganfall in Folge, Gehirnoperationen und Krankenhaus und Rehaaufenthalten über Jahre hinweg. Aber: Ich übe sofort meine Feinmotorik
mit Skizzen, male großflächige Bilder, übe Farbensehen und Gestalten nach einer Phase der Umnachtung wie ein Besessener, male mir die Augen frei, die vorher Doppelbilder sahen. Ich male gegen meine Krebserkrankung an, indem ich mir die Strukturen verdeutliche, zeichne Innenansichten... und gewinne an Gesundung. Jeden Tag mehr. Milde und Humor werden zu
meinen Stärken. Die Horizonte werden offener. Das Panorama weitet sich.

Mein Ziel ist Heiterkeit.